Die ersten Tage nach 2 wirklich faulen Wochen in Istanbul waren verdammt hart für uns. Wir fühlten uns, als hätten wir die Kilometer bis nach Istanbul nicht mit dem Fahrrad hinter uns gelegt: Der Körper schien alles vergessen zu haben, jede Steigung war anstrengend, unseren Rhythmus mussten wir erst einmal wiederfinden. Nach 5 vollen Tagen auf dem Fahrrad sind wir nun aber wieder in unserem Radreise-Alltag angekommen und erfreuen uns sehr an der abwechslungsreichen Natur und den freundlichen Menschen der Türkei.
Da wir von Europa nach Asien bereits mit Carolin und Florian mit dem Fahrrad gefahren sind, wollten wir Europa nun mit der Fähre nach Bursa verlassen. So blieb uns auch Istanbuls Verkehr erspart ;) Schnell und sicher brachte uns Nelly mit dem Fahrrad zum nahe gelegenen Fährhafen, wo wir uns von unserer tollen Gastgeberin verabschieden mussten. Unsere erste Tat in Asien war eine Fahrradreparatur. Sabines Schaltzug war nun gerissen – ebenfalls nach 5000 km und nicht wie von Rohloff angegeben nach 8000 km. Zu unseren ersten Kilometern mit Gepäck in Asien konnten wir somit erst um 4 Uhr aufbrechen. Die ersten Steigungen und die Hitze machten uns echt zu schaffen. Schnell war jedes genossene Halva und Lokum in Istanbul bereut ;) Ohne zu wissen, wo wir die kommende Nacht verbringen würden radelten wir die Hauptstraße in Richtung Bursa hoch. Dort trafen wir auf zwei nette Mountainbiker, Okan und Yavuz. Sie stellten den Kontakt zu Ertan her, der uns mit seinem Rennrad zu einem außerhalb Bursas gelegenen Campingplatz brachte. Ertan erzählte uns von zwei Reiseradlern, die nur wenige Tage zuvor von ihm durch die Stadt geführt wurden. Es stellte sich heraus, dass diese beiden Reiseradler Lili und Dani waren – so ein Zufall in einer Stadt mit 2 Millionen Einwohnern! Am nächsten Tag fand ein Radrennen statt, welches mit einem gemeinsamen Frühstück aller Teilnehmer eingeleutet wurde. Zu diesem Frühstück mit toller Kulisse an einem kleinen Fluss unter Bäumen wurden auch wir eingeladen. Ertan hatte uns noch ein Geschenk mitgebracht: Ein Fahrradtrikot des lokalen Radvereins, welches die Reise bis ins tiefste Asien mit uns antreten wird. Wir haben wieder einmal viele unglaublich nette Menschen kennengelernt und Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft erfahren, danke!
Nach dem tollen Frühstück führte uns unsere Route über wenig befahrene Straßen und schöne Landschaften in die Berge rund um den Uludağ-Berg. Wir gewöhnten uns von Tag zu Tag immer mehr an die Sonne und die vielen Höhenmeter, die entgegen unserer Befürchtung nicht mehr so steil ausfallen wie im europäischen Teil der Türkei. Immer wieder aufs Neue erstaunt und erfreut uns die Gastfreundschaft der Menschen. So bekommen wir zum Beispiel an einem Tag sowohl Frühstück als auch Mittagessen von vorbeifahrenden Autofahrern geschenkt. Im Gegenzug wird höchstens ein Foto von uns verlangt.
Kurz nach Kütahya bogen wir in Richtung Döğer von der Hauptstraße ab, hier beginnt das unglaublich schöne Phrygische Tal (Frig Vadisi). Überall in diesem Tal findet man beeindruckende Siedlungen die vor langer Zeit in den weichen Felsen gehauen worden sind. Die Landschaft ist wirklich traumhaft schön und naturbelassen. Auf unserem Weg haben wir außerdem keinen einzigen Touristen gesehen und wir hatten genug Zeit die Höhlen zu erforschen :)
Nach einem anstrengenden und schönen Tag im Frig Vadisi wurden wir bei einem Brunnen von einer Imam-Familie zum Çay eingeladen. Als wir auf die Frage, wo wir heute abend schlafen werden, mit “hier im Zelt” antworteten, haben sie uns direkt davon abgeraten und noch bevor wir reagieren konnten eine Unterkunft im nächsten Dorf organisiert. Dort angekommen wurden wir von Bilal, seiner Frau Fatoş und seiner Tochter Apsatı freundlich empfangen. Bei Fatoşs sehr leckerem selbst angebautem und gekochtem Essen unterhalten wir uns auf Englisch (dies ist eine Besonderheit in der Türkei!) über das Leben in der Türkei. So fällt es uns leichter unsere riesige Dankbarkeit über die unwahrscheinlich große Gastfreundschaft auszudrücken und auch mal über tiefgründigere Themen zu sprechen. Das Dorf in dem wir zu Gast sind ist eines von wenigen Dörfern in der Türkei in denen ausschließlich Karaçay wohnen. Eine Minderheit die nach dem Russisch-Türkischen Krieg im 19 Jhd. aus dem Kaukasusgebiet in die Türkei emigriert ist. Die Kultur ist ein wenig anders als die “normale” türkische Kultur so werden z.B. Cousins wie Brüder und Schwestern gesehen – die Großfamilie hält noch mehr zusammen. Bilal ist seit kurzem Ortsvorsteher und hat viele sehr gute Pläne für das Dorf. Er setzt sich für die Erhaltung der schönen Natur um das Dorf herum ein und möchte einen umweltverträglichen Tourismus in das Dorf holen. Es ist der perfekte Ort zum Entspannen: angenehmes Klima, saubere Luft, absolute Ruhe, nette Menschen und eine wunderschöne Natur mit Geschichte. Wir wünschen Bilal viel Erfolg beim Umsetzen seiner Pläne und sind sehr dankbar für die große Gastfreundschaft die wir genießen dürfen.
Da uns die letzten Tage sehr geschafft haben, beschließen wir noch einen Tag länger zu bleiben bevor es wieder in Richtung Kappadokien weitergeht.