Wir sind in der Türkei angekommen, aber so richtig! Wir haben in den letzten drei Wochen so viele unglaublich tolle Menschen kennengelernt, intensive Einblicke in das Leben der Menschen und die Kultur bekommen, unsere Sprachkenntnisse erweitert und uns wieder und wieder gefragt, warum uns immer wieder so viel Gutes geschieht! Wir haben mittlerweile begriffen, dass die Suche nach dem Grund für die uns entgegengebrachte Gastfreundschaft und Freundlichkeit nur etwas für unsere deutschen Köpfe ist. Für die meisten Menschen in der Türkei ist Gastfreundschaft ganz selbstverständlich, sie macht den Menschen scheinbar einfach Freude. Im Gegenzug reicht unser noch sehr basales Türkisch und wir zaubern den Menschen ein Lächeln ins Gesicht, das macht auch uns immer wieder Spaß :)
Von Kırklareli fuhren wir entspannt über kleine Straßen durch Dörfer wieder in Richtung Schwarzes Meer. Da wir für Istanbul Besuch erwarteten und wir gut in der Zeit lagen, beschlossen wir, nicht den direkten Weg nach Istanbul zu nehmen, sondern noch mehr von der Küste zu sehen. Auf unserem Weg durch die Dörfer bemerkten wir überrascht, dass jedes noch so kleine Dorf eine eigene Moschee und mindestens ein Chai-Haus besitzt. Außerdem überraschten uns die Straßen: Die Türken scheinen gerade Straßen zu lieben, egal wie steil sie dann auch sein mögen. Geschafft von den ungewöhnlich anstrengenden Anstiegen, beschlossen wir schon früh unser Zelt aufzuschlagen. Wir fanden zwischen den Felsen eine weite Grasebene mit angrenzendem Wald – perfekt! Ungewohnt früh wurden wir dann am nächsten Morgen (oder man könnte auch sagen in der Nacht) von den Muezzingesängen der umliegenden Dörfer geweckt. Da wir einen anstrengenden und heißen Tag erwarteten, fuhren wir dann auch sehr früh los, um die kühlen Temperaturen möglichst gut zu nutzen. Bei unserer ersten von noch vielen folgenden Chai-Einladungen erfuhren wir dann aber, dass wir die größten Steigungen bereits am Vortag hinter uns gebracht hatten. Und tatsächlich fuhren wir auf einer staubigen, aber relativ ebenen Straße durch ein wunderschönes Waldgebiet. Dort scheuchten wir Wasserbüffel aus ihren Wasserlöchern am Wegesrand auf und begegneten unserer ersten Landschildkröte, die natürlich für ein Foto posieren musste :) Mittags erreichten wir das gemütliche Fischerdorf Kıyıköy. Dort handelten wir auf Türkisch (!) den Preis für ein wunderschönes Zimmer direkt am Meer herunter und erkundeten das kleine Dorf. Im Gegensatz zur bulgarischen Küste ist die türkische Küste hier überhaupt nicht touristisch. Naturbelassene Wälder und schroffe Klippen ergeben eine schöne Küstenlandschaft.
Trotz aller Warnungen der Einheimischen schlugen wir unseren Weg entlang der Küste ein. Auf unseren Karten war diese Straße nicht eingetragen, jedoch sahen wir auf Googles Satellitenbildern, dass dort ein Weg entlang führte. Wir erhofften uns schöne Ausblicke. Schon bald bereuten wir unsere Entscheidung: Der “Weg” bestand aus Schotter und großen Steinen und führte ununterbrochen steil bergauf und bergab. Streckenweise war das Fahren mit dem Fahrrad gar nicht mehr möglich oder zu gefährlich, da man auf den großen Steinen schnell zur Seite wegrutschen konnte. Somit schoben wir unsere Fahrräder bei schwüler Hitze durch eine nicht einmal sehr schöne Landschaft. Nach 30 km auf diesem “Weg” kamen wir komplett durchgeschwitzt im kleinen Urlaubsort Yalıköy an. Wir fragen uns zu einem Restaurant durch und erregen sehr viel Aufsehen im Dorfzentrum, in dessen drei Chai-Häusern sich gefühlt alle Männer des Dorfes aufhalten. In einer kleinen Garküche bekommen wir leckeres Essen und immer wieder kommen Dorfbewohner herein, um ihre Englisch- oder Deutschkenntnisse auszuprobieren, uns Obst zu schenken oder um uns einfach nur zu sehen. So kommen wir auch mit Ilker ins Gespräch, der uns zu einer Dusche und einer Übernachtung bei sich zu Hause einlädt. Ohne zu Überlegen nehmen wir die Einladung an und freuen uns sehr. Bei Ilker werden wir sehr nett aufgenommen und lassen uns gerne zu einer zweiten Nacht in seinem Haus überreden. An unseren 2 Tagen in dem sehr schönen Dorf haben wir viel erlebt und gefühlt mit jedem im Dorf gesprochen. Wir haben mit Kurt DAS türkische Kartenspiel gespielt, waren am Strand und im Dorf spazieren, haben Özge in der Schule besucht, in der sie unterrichtet, haben sowohl der Direktorin als auch dem Bürgermeister die Hände geschüttelt und wurden plötzlich Unterrichtsgegenstand des Englischunterrichts, was ein Treffen mit den Schülern am Strand nach sich zog. Wenn wir einmal nicht im Dorf unterwegs waren, entspannten wir uns bei Ilker und seiner Familie, besserten unser Türkisch auf, wurden wunderbar bekocht, skypten mit Ilkers Verwandten in Deutschland und tranken unseren bisher besten Ayran aus selbstgemachtem Joghurt. Wir haben diese Zeit sehr genossen. Wir wurden so herzlich aufgenommen und haben sehr viel über das Leben in der Türkei gelernt. Wir freuen uns, Ilker und seine Familie nächstes Jahr in Deutschland wiederzusehen :)
Nach einem herzlichen Abschied geht es für uns dann weiter nach Istanbul. Da schon in einem weiten Umkreis um Istanbul die Landschaft deutlich bebauter ist, haben wir für unser Zelt ein Platz an einem Restaurant mit anliegender Picknickwiese gewählt. Während des Zeltaufbaus erregten wir die Aufmerksamkeit eines jungen Paares, Sefa und Hande, welche ein Hotel in Istanbul besitzen. Spontan und wie selbstverständlich luden sie uns für die nächste Nacht in ihr Hotel ein – ohne dass wir etwas zahlen sollten! Wirklich verrückt :) Am nächsten Tag treffen wir auf unserem Weg drei französische Reiseradler Gaël, Nathalie und Yohan. Wir beschließen, gemeinsam nach Istanbul hinein zu fahren. Die drei sind deutlich flotter unterwegs als wir und scheinen federleicht zu sein. Unser bereits gefasster Entschluss, in Istanbul einige Dinge auszusortieren und zurückzuschicken, wird noch einmal bestärkt. Je näher wir Istanbul kamen, desto mehr wurde der Verkehr. Plötzlich fanden wir uns auf einer Autobahn-ähnlichen Straße wieder und mussten uns von unseren drei französischen Reisebegleitern verabschieden. Der Weg zum Hotel von Sefa und Hande war jedoch leicht zu finden und es gab für uns einen breiten Bürgersteig, so dass wir stressfrei ankamen. Das kostenlose “Hotelzimmer” entpuppte sich als riesiges Appartement, wir waren sprachlos! Und dann verbrachten wir auch noch mit Sefa und Hande einen sehr witzigen Abend bei türkischer Livemusik und türkischem Tanz, in dem wir uns auch versuchten zur Freude aller anderen :) Ein perfekter Start in Istanbul, danke!!!
Istanbul ist eine wahnsinnig große Stadt. Dies haben wir zum ersten Mal am eigenen Leib zu spüren bekommen, als wir auch nach unserem Aufenthalt bei Sefa und Hande noch ca. 40 km über eine Autobahn innerhalb Istanbuls fahren mussten, um ins touristische Istanbul zu gelangen! Eigentlich hatten wir geplant mit der Fähre nach Istanbul reinzufahren, weil wir vorher viel über den starken Verkehr in Istanbul gelesen hatten. Als wir am Fähranleger ankamen, gab es keine Fährverbindung ins Zentrum … Google Maps hat uns in die Irre geführt und somit mussten wir die Autobahn nehmen. Es war jedoch alles nur halb so schlimm wie wir es befürchtet hatten. Zwar waren sehr viele Autos auf der dreispurigen Autobahn unterwegs, jedoch nahmen die Fahrer sehr viel Rücksicht auf uns und wir sind sicher angekommen. Durch abgesperrte Straßen wegen der Proteste zum Jahrestag der ersten Gezi-Proteste vorbei an bewaffneten Polizisten fuhren wir in den Stadtteil Beyoğlu, wo wir ein Appartement über airbnb gebucht hatten. Leider tauchte unser Gastgeber auch nach einem Anruf und zwei Stunden Warten noch nicht auf. Zum Glück hatten wir aber Nelly getroffen, die uns in einem Supermarkt angesprochen hatte. Zufälligerweise besitzt sie direkt über dem Supermarkt einige Appartements, die sie uns anbot. Wir waren froh, so unkompliziert doch noch eine Unterkunft gefunden zu haben und das auch noch bei einer so tollen Gastgeberin! Wir genossen faule Tage mit ein wenig Sightseeing, leckerem türkischen Essen, Zeit mit Nellys Familie und Treffen mit alten Bekannten: mit Özge aus Yalıköy verbrachten wir einen schönen Nachmittag und wir trafen Lili und Dani und noch weitere Reiseradler :)
Schließlich traf unser heiß ersehnter Besuch ein: Für 3 Tage kamen Carolin und Florian, Sabines Geschwister, zu uns nach Istanbul. Gemeinsam erkundeten wir Istanbul zu Fuß, Bus, Tram und sogar Fahrrad! Aufgrund eines Bike-Festivals gab es eine Fahrradtour über die Bosporus-Brücke, die normalerweise für Fahrräder und Fußgänger komplett gesperrt ist. So konnten wir zu viert von Europa nach Asien radeln – was ein Glück und Spaß! Bei diesem Event trafen wir zufällig außerdem auch noch Aleks aus Bulgarien wieder. Nach der Wiedersehensfreude kamen wir zu der Erkenntnis: Die Radlerwelt ist klein :) Nach 3 anstrengenden Tagen mit wenig Schlaf und vielen neuen Eindrücken und Erlebnissen mussten wir uns leider schon wieder von Florian und Carolin verabschieden. Zu gern hätten wir die beiden noch länger bei uns gehabt und ihnen auch noch die Türkei außerhalb von Istanbul gezeigt. Es waren schöne Tage mit euch!
Nach einigen Abschiedstränen am Flughafen mussten wir uns bald wieder auf organisatorische Aufgaben konzentrieren. Unser Istanbulaufenthalt war nun schon lang genug und es gab trotzdem noch so viel zu tun! Wir nutzen die letzten Tage, um uns um unser Iran-Visum zu kümmern, inklusive befremdlicher Passfotos ;) , unsere Fahrräder zu warten, die weitere Route zu planen und 700 Fotos auszusortieren! Asien, wir kommen!