Usbekistan – ein Land mit freundlichen Menschen, schönen Handelsstädten der alten Seidenstraße aber trister Landschaft. Nach Turkmenistan war Usbekistan schon das zweite Land in Folge, dessen Landschaft uns nicht begeistern konnte. Wir müssen aber auch dazu sagen, dass wir uns innerlich nicht so richtig für das Land öffnen konnten. Wir betrachteten Usbekistan eher als ein Land, das notwendigerweise durchquert werden musste, da es auf unserem Weg nach Kirgisistan lag. Wir sehnten uns nach schöner Landschaft und ruhigen Zeltplätzen, die in Kirgisistan auf uns warteten. Die vielen freundlichen Zurufe der Menschen und das grüßende Hupen von Autos begannen wir irgendwann schon zu ignorieren. Während wir uns in den ersten Monaten unserer Reise über jedes Hupen, Winken und Rufen von Einheimischen unglaublich freuten, empfanden wir das Hupen mittlerweile als unglaublich störend: An viel befahrenen Straßen hat man sowieso schon den Lerm des Verkehrs zu ertragen und wenn dann auch noch JEDES Auto hupend an einem vorbei fährt, wird man schon irgendwas etwas aggressiv. Zudem kann man dann auch nicht mehr ausmachen, wann die Hupe als Warnsignal zu verstehen ist. Wir waren es außerdem auch überdrüssig, den Menschen immer wieder unsere gleiche Geschichte zu erzählen. Wir hatten einfach genug von dem ganzen Winken, Lächeln und den immer wieder gleichen Fragen… Dies scheint wohl nach einiger Zeit des Reisens ein bekanntes Phänomen bei den Reiseradlern zu sein, denn den meisten mit denen wir gesprochen haben, schien es irgendwie genauso zu gehen. Eigentlich bewundernswert, dass die Usbeken trotzdem noch jedem Reiseradler freundlich zuwinken/anhupen obwohl diese doch sehr unfreundlich wirken müssen.
Mit dieser Grundstimmung hatten wir nur wenig Motivation uns noch ein paar weitere Tage durch Wüste oder Steppe mit Gegenwind zu quälen. Wir nahmen den Zug von Bukhara nach Taschkent mit einem 2-nächtigen Zwischenstopp in Samarqand. Im komfortablen usbekischen Zug konnten wir uns davon überzeugen, dass wir landschaftlich nicht viel verpasst hatten. Steppe und durch Bewässerung landwirtschaftlich erschlossene Flächen wechselten sich ab. In Samarqand angekommen trafen wir eine ganze Reihe Reiseradler von denen uns einige bereits bekannt waren. Anne-Cé und Nico, die beiden Franzosen die wir auch schon in Istanbul und Göreme getroffen hatten, waren auch mit dabei. Es war schön sich unter Gleichgesinnten auszutauschen und Samarqands schöne Sehenswürdigkeiten mussten in den zwei Tagen in den Hintergrund treten. Die meisten der anderen Reiseradler bereiteten sich auf den Pamir Highway als nächste Station vor und so war unter anderem der nun auf einmal so nahe Winter ein beliebtes Thema. Denn sowohl die Berge im Pamir als auch die in Kirgisistan haben Pässe auf über 3000 m, welche auch schon im September frostige Temparaturen und Schnee aufweisen können. Der Satz “Winter is coming” hat auf einmal auch für uns einen dringlichen Klang ;) .
Ab Taschkent durchquerten wir die nun langsam etwas bergiger werdende Landschaft in Richtung Namangan wieder mit dem Fahrrad. Obwohl die Gegend um Taschkent sehr intensiv von der Landwirtschaft genutzt wird, konnten wir einen schönen Zeltplatz direkt neben einer kleinen Bauernhütte finden. Wir bestaunten den vollen und sehr großen Mond, genossen dabei Weintrauben und Äpfel, die uns der Bauer vorbei gebracht hatte und fragten uns, ob wir wohl bei der Ausreise aus Usbekistan Probleme bekommen würden. In Usbekistan besteht für Touristen nämlich die Pflicht, sich regelmäßig mittels eines Hotelaufenthaltes bei der Polizei zu registrieren. Die Registrierung wird automatisch vom Hotel vorgenommen, man erhält dann nur einen kleinen Zettel als Beleg für den “korrekten” Aufenthalt in einem Hotel. Allerdings kann eine solche Registrierung auch nicht jedes Hotel vornehmen. Wir ließen es nun einfach mal darauf ankommen und nahmen uns vor, nur jede zweite oder dritte Nacht für ein Hotel zu bezahlen. Unsere nächste Möglichkeit, ein Hotel zu bekommen war Angren. Dort kamen wir spät abends an und mussten uns erst einmal zu einem Hotel durchfragen, welches in der Lage ist, Touristen zu registrieren. Das Hotel fanden wir schließlich auch, nachdem wir 5 km zurück fahren mussten. Allerdings war das Hotel vollkommen ausgebucht. Unser Bitten und Betteln, allein die Registrierung zu erhalten, ohne tatsächlich ein Zimmer zu beziehen oder einfach das Zelt im großzügigen Vorgarten aufzustellen half alles nichts. Wir wurden ohne Registrierung und ohne Dach über dem Kopf zurück auf die dunkel werdende Straße geschickt. Ein wenig verzweifelt diskutierten wir unsere Möglichkeiten: Aus der Stadt heraus fahren und im Dunkeln irgendwo einen Zeltplatz suchen? Nein. Zelten direkt in der Stadt? Wo? Wir versuchten unser Glück einfach mal beim Restaurant direkt gegenüber vom Hotel. Wir konnten den Mitarbeitern irgendwie verständlich machen, was unser Problem war und nach ein paar Minuten Warten und ein paar Telefonaten bekamen wir das Okay, dass wir die Nacht im Restaurant verbringen durften. Wir scannten schon einmal den schmuddeligen Boden nach einer halbwegs sauberen Stelle für unsere Matratzen ab, als wir freundlich in einen Raum gebeten wurden, der offensichtlich für jemanden als Wohnraum diente: der Koch und der Küchengehilfe sollten für diese Nacht ihr Quartier wechseln und wir sollten komfortabel im eigenen Raum mit Privatsphäre unterkommen. Wir waren total verblüfft und versuchten deutlich zu machen, dass wir auch irgendwo anders schlafen können, aber alle bestanden darauf. Wir waren total glücklich über diese Herzlichkeit und schliefen in dieser Nacht sehr gut – auch ohne Registrierung :) . Ausgeruht nahmen wir am nächsten Tag die Steigung über den einzigen Pass, der Ost und West Usbekistans verbindet, in Angriff. Auf 700 m ü.M. starteten wir. 40 km lang ging es zunächst bergauf und bergab auf mäßig guten Straßen und wir behaupteten uns gut neben den langsamen Trucks. Es gab immer mal wieder kleine Verkaufsstände, an denen die Produkte der Bergdörfer und Getränke erhältlich waren. Danach folgten 20 sehr steile Kilometer. Um halb 4 standen wir mit zitternden Beinen auf einer Höhe von 2200 m vor einem Tunnel. Wir hatten es geschafft und wurden mit einer sehr kühlen Abfahrt belohnt. Leider fanden wir in dem engen Tal keinen guten Zeltplatz und die Sonne ging hinter den hohen Bergen bereits unter. Kurzerhand probierten wir unser Glück einfach mal bei einem Gebäude, das sich als Krankenhaus entpuppte. Der Arzt und die Krankenschwester fanden uns sehr amüsant, aber waren sich offensichtlich nicht ganz sicher, ob sie uns aufnehmen sollten. Glücklicherweise war gerade ein Soldat im Krankenhaus, der unsere Pässe inklusive Visa und Registrierungszettelchen genauestens unter die Lupe nahm. Nach seiner Zustimmung durften wir im Krankenhaus für eine Nacht bleiben. Wir erhielten ein nicht genutztes, leeres Zimmer nur für uns alleine und waren wieder einmal sehr glücklich. Wir hatten einen lustigen Abend mit dem Arzt, der Krankenschwester und dem Fahrer für Medikamente (deren Namen wir leider alle vergessen haben…) obwohl wir uns eigentlich kaum verständigen konnten. Was uns auch sehr verwunderte waren die Sanitäranlagen: Da es keinen Wasseranschluss gab, gab es im Krankenhaus selber ganz einfach auch keine Toilette oder Dusche. Zum Händewaschen ging man nach draußen und nutzte Wasser aus Flaschen und die Toilette war eine kleine Holzhütte ein Stück die Straße herunter mit zwei Holzlatten, auf die man die Füße stellt, und einem großen Loch darunter. Wir waren froh, gesund in diesem Krankenhaus unterzukommen ;) . Die restlichen 115 km bis nach Namangan meisterten wir am nächsten Tag und fanden dort eine günstige und saubere Unterkunft mit Dusche und Toilette. Hier ruhten wir uns für zwei Tage aus und verbrachten einen halben Tag davon im Internetcafé, um Infos über unsere bevorstehende Route in Kirgisistan einzuholen und mal wieder Kontakt in die Heimat zu suchen.
Die letzten 50 km bis zur Grenze fuhren wir auf schlecht asphaltierten Straßen zwischen Baumwollfeldern, Wiesen und Wohnhäusern mit liebevoll gestalteten Vorgärten. Wir erhielten erste Blicke auf die Berge Kirgisistans und freuten uns, als wir ohne Probleme trotz lückenhafter Registrierungen den kleinen Grenzübergang passieren konnten.
Wir ließen Usbekistan mit all seinen merkwürdigen Eigenheiten hinter uns: die sinnlos erscheinende Registrierungspflicht, ständige Passkontrollen durch das Militär (sogar VOR und NACH dem Passieren eines Tunnels…. wo und wie soll sich in der Zwischenzeit etwas an unserem Pass geändert haben???), Geldwechsel zu vernünftigen Preisen nur auf dem Schwarzmarkt, jeder hat die Taschen voll mit dicken Bündeln von Geld, da die größte Banknote in etwa 30 Dollarcent wert ist und somit verbringen viele Leute immer viel Zeit damit, ihr Geld abzuzählen…