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Ursprüngliches Kirgisistan

Ursprüngliches Kirgisistan

03. Oktober2014

Vor etwas mehr als 2 Wochen fuhren wir über den kleinen Grenzübergang nach Kirgisistan hinein. Schon die Einreise war so was von unkompliziert. Die Grenzbeamten interessierten sich sehr für unsere Fahrräder, drehten Proberunden darauf und hatten total Spaß. Wir erhielten “so nebenbei” einen Stempel in unsere Pässe und wurden vorgewarnt, was uns in diesem Land erwarten würde: “Our country is very beautiful, enjoy it!” Die Prophezeiung erfüllte sich für uns zu 100% . Wir waren für 2 Wochen in den Bergen Kirgisistans unterwegs, genossen die Stille, die unberührte Natur und staunten über das einfache Leben, welches die Menschen auf dem Land führen. In den Dörfern verdienen die Menschen ihren Lebensunterhalt meist mit ihren Tieren – Schaf- und Ziegenherden, Kühe, Pferde und Esel trafen wir überall freilaufend in den Bergen und Dörfern an. Führte uns unser Weg durch ein Dorf, liefen uns die Kinder auf der Straße hinterher, laut “Hello!” oder auch “Bye bye!” oder einfach entzückt “Tourist, tourist!” rufend. Oft sahen wir Kinder oder auch Erwachsene mit großen Plastikbehältern auf fahrbaren Untersätzen oder einfach Eimern die Straßen auf und ab laufen. Fließendes Wasser in den Häusern ist hier sogar in den Städten eher die Ausnahme. Es gibt daher überall Pumpen und die Menschen schleppen jeden Liter, den sie für ihren Haushalt benötigen in ihre Häuser. Strom gibt es und damit auch z.B. Waschmaschinen, das Wasser muss halt per Hand hinein geschüttet werden. Auch warme Duschen gibt es. Dusche und Toilette befinden sich draußen im Garten in separaten kleinen Holzhüttchen. Über der Dusche befindet sich ein Wasserbehälter, der mit Wasser gefüllt wird – Leiter rauf und runter mit dem Eimer in der Hand, bis der Behälter voll ist. Das Wasser wird dann mithilfe von Strom erhitzt und man kann (als Gast mit schlechtem Gewissen) eine warme Dusche genießen. Wir haben jedoch die meisten Nächte in unserem Zelt verbracht. In der weiten Natur hatten wir nie Probleme, einen Zeltplatz zu finden und frisches Wasser sprudelte auch immer irgendwo aus den Bergen.

Für unsere Reise durch Kirgisistan haben wir uns eine eher kleine Straße durch die Berge ausgesucht. Wir hatten das Gefühl, seit Kappadokien in der Türkei nur auf Hauptstraßen unterwegs gewesen zu sein. Wir wollten einfach mal den Autos entkommen und die Natur genießen. Der Vorteil, dass unsere gewählte Straße wenig Verkehr hat, kommt allerdings auch mit Nachteilen. Die Straße war zu größten Teilen eine Schotterpiste mit Wellblechmuster und es gab über Tage keine Siedlungen wo wir uns mit Lebensmittel eindecken konnten. Voll bepackt mit Lebensmitteln, die wir auf dem lokalen Basar in Dschalalabad gekauft hatten, machten wir uns auf den Weg in die Berge. Wir starteten auf 700 Metern und hatten eine Steigung bis auf 3000 Meter vor uns. Dies war unsere bis dahin größte Höhendifferenz an einem einzelnen Anstieg, der uns auf den höchsten Punkt unserer bisherigen Route brachte. Wir ließen uns viel Zeit und genossen die wieder interessanter werdende Landschaft. Die große Ebene mit sanfter permanenter Steigung wurde nach 60km von einem engen Tal mit steilen Abschnitten, die uns immer wieder zum Schieben zwungen, abgelöst. Links und rechts der Straße gab es endlich immer wieder grüne Bäume und Sträucher die von kleinen Bächen durchflossen wurden. Wir fühlten uns wohl ohne knapp an uns vorbeirasende Autos und kämpften uns langsam aber sicher bei strahlendem Sonnenschein die Schotterstraße hoch.

Am frühen Nachmittag kamen wir zum Fuß des letzten Steilstücks vor dem Pass, 1000 Höhenmeter noch, dann erhofften wir uns einen wunderbaren Ausblick bei blauem Himmel. Wir entschieden uns allerdings dagegen, die letzte Steigung schon am gleichen Tag anzugehen, denn die Landschaft dort schien keinen Zeltplatz zu bieten. Das Zelt war schnell neben der Straße windgeschützt aufgestellt und wir genossen einen freien Spätsommer-Nachmittag. In Kirgisistan ist das Wetter wie überall in bergigen Regionen unberechenbar. Dies mussten wir am nächsten Morgen feststellen – anstatt Sonne und strahlend blauem Himmel gab es einen mit Regenwolken verhangenen Himmel. Zum ersten Mal seit kurz hinter Istanbul fuhren wir wieder durch den Regen. Zwei Wochen vorher in der Wüste noch heiß ersehnt, waren wir bei einem Anstieg zu einem 3000 Meter Pass nicht so entzückt als die Regentropfen fielen. Es war klar, dass es heute schwer wird und wahrscheinlich noch nicht mal ein Ausblick als Belohnung winkt. Mit vielen Pausen fuhren wir langsam den Pass unter den aufmerksamen Augen von über uns kreisenden Geiern hoch. 1000 Höhenmeter an einem Stück war sonst auch schon bei Sonnenschein und Asphalt nicht ohne, aber bei Regen und wirklich schlechter Schotterstraße war es ein richtiger Kraftakt. Knapp hundert Meter vor dem Gipfel tauchten wir in die Wolken ein. Der Regen wurde zu Schneeregen oder Hagel und wir konnten nur noch 10 Meter weit sehen. Es war richtig windig und wir hielten uns immer weit entfernt vom Abgrund aus Angst, von einer Böe in dessen Richtung geblasen zu werden. Als wir oben angekamen, dachten wir, das Schlimmste sei überstanden und es folgt nun eine schnelle Abfahrt die uns innerhalb von 5 Minuten wieder in wärmere Höhenregionen bringt. Kaum waren wir über den Bergkamm, wussten wir, dass dies nicht der Fall sein wird. Der Wind auf der anderen Seite des Passes war so stark, dass wir sogar manchmal richtig in die Pedale treten mussten um voran zu kommen, obwohl es relativ steil bergab ging. Wir fühlten uns ein wenig verarscht und waren richtig durchgefroren. Der Wind war sogar an einigen Stellen so stark, dass Bine beim Versuch vom Fahrrad abzusteigen umgepustet wurde. Als wir endlich wieder auf 2000 Metern waren und die erste Gegensteigung auf uns wartete stellten wir sofort unser Zelt an einem kleinen Bach auf. Wir wärmten uns an einem warmen Mahl auf und Bine trocknete ihre vielen Klamotten an ihrem “Trockenbaum”. Es war schön abends in die warmen Daunenschlafsäcke krabbeln zu können, die übrigens in Kirgisistan seit Langem wieder obligatorisch in der kalten Nacht sind. Der nächste Tag empfing uns wieder mit strahlendem Sonnenschein – sehr unfair!!!

Die Straße führte uns nun die meiste Zeit bergab in Richtung des kleinen Ortes Kazarman – perfekt um unsere Lebensmittelvorräte wieder aufzustocken. Bis dahin waren es nur noch ca. 50 km – eigentlich kein Problem an einem Tag. Allerdings hatten wir am Vortag irgendetwas falsches zu uns genommen und waren beide von Bauchschmerzen und Übelkeit geplagt. Die Wellblechstraße trug nicht zu unserer Genesung bei, sondern brachte den Bauch nur noch zusätzlich durcheinander. Wir mussten viel pausieren und haben uns zwei Tage für den restlichen Weg Zeit gelassen. In Kazarman kamen wir in einem gemütlichen Homestay unter – inkl. warmer Outdoordusche und Toilette, die aus einem Loch im Boden besteht. Immerhin gibt es hier in Kirgisistan nun endlich wieder Toilettenpapier standardmäßig auf jeder Toilette: ziemlich raues, recyceltes Papier. Unsere Bäuche stimmten nach zwei Tagen Erholung einer Weiterfahrt zu und wir fuhren langsam Richtung Naryn. Die Straße wurde leider nicht besser. In diese Straße wird wohl nicht mehr viel Geld investiert, stattdessen wird von chinesischen Arbeitern eine neue breite Teerstraße gebaut, die 2017 die Schotterstraße ablösen soll. Von dieser haben wir aber nichts gesehen und so zählten wir bereits die Kilometer bis zum Beginn der Asphaltstraße runter. Die schöne Landschaft und das sonnige Wetter entschädigten uns aber bei weitem für unsere Strapazen. Wir haben es nicht bereut diese Route zu wählen und haben es uns zur Aufgabe gemacht, den besten Weg durch den Schotter zu finden :) Die Landschaft wurde nach Kazarman noch einmal schöner als vorher. Die Berge begeisterten uns mit ihren unterschiedlichen herbstlichen Farben. Der Blick nach dem letzten Pass über das Naryn Tal war einfach unbeschreiblich. Die Fotos können es leider nicht so wiedergeben wie wir es gesehen haben. Wir standen auf 2500 Metern und blickten auf ein 1600 Meter hohes Tal hinab. Im Hintergrund türmten sich so eben sichtbar die rieisigen Berge des Torugartgebirges mit ihren knapp 5000 Metern auf. Wir genossen es und fuhren den Berg hinab zum Naryn-Fluss. Denn dort erwartete uns endlich wieder Asphalt! Die ersten Meter waren wirklich beflügelnd – Fahrrad fahren war auf einmal wieder richtig einfach und wir düsten durch kleine Dörfer. Innerhalb von einem Tag hatten wir den Ort Naryn erreicht, wo wir uns den Luxus gönnten ein Appartment mit fließend Wasser und normalem Badezimmer zu beziehen. Hier in Kirgisistan kostet das uns allerdings auch nur 20 € inkl. Frühstück für zwei Personen pro Nacht.

In Naryn gibt es keine Sehenswürdigkeiten, der Ort wird von Touristen meist nur als Zwischenstation genutzt um von hier ins Umland per Pferd, Auto oder sonst wie aufzubrechen. Wir haben keine Tour unternommen, da das Wetter überhaupt nicht dazu einlud: Regen und sehr kühle Temperaturen ließen uns eher das Sofa im Apartement genießen ;) Und obwohl es hier NICHTS gibt, sind wir nun schon eine Woche lang hier. Unser ursprünglicher Plan war es, hier zwei Nächte zu bleiben und dann in Richtung des Issyk-Kul und weiter Richtung Kasachstan und China weiter zu fahren. Unsere Radreise-Freunde Lili und Dani waren in genau der entgegengesetzen Richtung unterwegs und wir wollten uns also auf dem Weg treffen und eine Zeltnacht irgendwo gemeinsam verbringen. Das Wetter war allerdings wirklich nicht berauschend und Lili und Dani waren nur einen Tag von Naryn entfernt. Somit beschlossen wir, einfach noch zwei Nächte zu bleiben und die gemeinsame Zeit mit unseren Freunden gemütlich im Warmen zu genießen. Heute morgen standen wir mit bepackten Rädern auf der Straße und mussten uns von Lili und Dani verabschieden. Die beiden wollten weiter Richtung Süden Kirgisistans radeln und dort nach China gelangen, unsere Wege sollten sich somit wieder trennen. Als wir auf der Straße ein Abschiedsfoto schossen, sprach uns ein in Kirgisistan lebender Amerikaner an. Nebenbei erwähnte er im Gespräch, dass in dem Shop, vor dem wir gerade standen, jemand Grenzübergänge über den Torugart-Pass organisiert. Wir haben diesen Grenzübergang direkt vor unserer Nase alle verworfen, da man auf der chinesichen Seite ein teures Taxi inklusive Guide nehmen muss. Trotzdem stürzten Lili und Bine spontan direkt in den Laden hinein, um Infos einzuholen – es war DIE Gelegenheit, gemeinsam nach China zu radeln und somit auch mehr Zeit miteinander zu haben! Nun brechen wir morgen anstatt in entgegengesetzte Richtungen weiterzufahren gemeinsam auf einen 3750 m hohen Pass auf. Es warten 5 Tage bei Temperaturen bis unter den Gefrierpunkt auf uns, aber wir sind euphorisch und freuen uns, nun unerwartet schon sehr viel früher in China zu sein. Nicht dass uns Kirgisistan nicht gefällt – im Gegenteil! Es gefällt uns hier so gut, dass wir definitiv in den nächsten Jahren für einen Urlaub wiederkommen werden, dann jedoch im Hochsommer. Jetzt gehts auf direktem Weg nach China!

Gefahrene Strecke

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