Starker Gegenwind der uns enorm abbremst, schlechte Straßen die das Vorankommen beschwerlich machen, viel staubiger Sand der in unsere Gesichter gepustet wird, Wüstenlandschaften die wenig erholsamen Schatten bieten und fast kochendes Wasser in unseren Trinkflaschen, quälende Mücken an jeder Zeltstelle, Euphorie über erfolgreiches Windschattenfahren, Zweifel an der Sinnhaftigkeit aller Bemühungen und ein rettender LKW-Fahrer mitten im Nirgendwo – so lassen sich unsere 5 Tage durch Turkmenistan auf den Punkt bringen.
Uns blieben nur zwei Tage, um von Mashhad im Iran die turkmenische Grenze zu erreichen. Das Turkmenistan-Visum ist taggenau terminiert und lässt aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer keine Verspätung zu. 460 km in 5 Tagen, das war die Herausforderung vor die uns die turkmenische Regierung als Individualtouristen stellt: von Sarakhs nach Turkmenabat durch die Wüste. Unsere letzte Nacht im Iran verbrachten wir 20 km vor der Grenze unter perfektem Sternenhimmel inklusive Milchstraße. Schon um halb 8 standen wir am Grenzübergang und stellten erfreut fest, dass er bereits geöffnet war! Die ganze Prozedur der Grenzkontrolle dauerte jedoch eine ganze Weile, da sowohl auf iranischer als auch turkmenischer Seite alles genau durchsucht wurde, und so waren wir erst um 11 Uhr auf turkmenischen Straßen unterwegs. In Sarakhs mussten wir zunächst Geld wechseln (was hier nur auf dem Schwarzmarkt zu vernünftigen Kursen möglich ist, also suchten wir eine unter Reisenden bekannte Autowerkstatt auf) und deckten uns mit ausreichend Lebensmitteln ein. In der Mittagshitze starteten wir in unser Abenteuer “Wüste”.
Die Sonne brannte auf uns nieder, es war unglaublich heiß und windig. Schon nach 1,5 Stunden im Schneckentempo hielten wir es nicht mehr aus. Wir fanden einen Baum neben einem alten, verlassenen Haus unter dem wir schwitzend ein paar Stunden schlafen konnten. Da unser Tacho jedoch für den ersten Tag zu wenig Kilometer aufwies, entschieden wir uns an diesem Tag ein wenig länger als normalerweise Fahrrad zu fahren. Mit der untergehenden Sonne ließ der Wind auch nach und wir holperten zusammen mit ebenso langsamen LKWs durch die tiefen Schlaglöcher. Wir kamen endlich wieder ein wenig schneller als 10 km/h voran und genossen die sich abkühlende Luft. Voller Erstaunen mussten wir allerdings bei den ersten nächtlichen Trinkpausen feststellen, dass es selbst in der Wüste Mücken gibt – und wir waren die einzigen potentiellen Opfer weit und breit! Dies ist ein Ergebnis des massiven Kanalbaus in der Region, der vor allem während der Sowjet-Zeit vorangetrieben wurde. Große Zuflüsse des Aralsees wurden umgeleitet, um eigentlich trockene Regionen für die Baumwollproduktion nutzbar zu machen. Dies führt zum einen dazu, dass der Aralsee auf Grund des fehlenden Zuflusses langsam austrocknet und zum anderen zu zwei verwunderten Deutschen die sich mitten in der Nacht fragen, warum sie denn auf einmal Schilf in der Wüste entdecken! Nach 90 km bauten wir unser Zelt nach einem langen Tag in Windeseile auf um uns vor den Mücken zu retten. Wir waren wohl nicht schnell genug, am nächsten Morgen hatten wir viele “Andenken” an unsere erste Nacht in der turkmenischen Wüste.
In Turkmenistan waren wir jeden Morgen bei Sonnenaufgang abfahrbereit. Der Wind ist in Turkmenistan im Sommer sehr berechenbar. Wenn man in Richtung Usbekistan unterwegs ist, kommt er meistens von vorne und wird im Laufe des Tages immer stärker. Das frühe Aufstehen lohnte sich für uns doppelt, zum einen war es noch kühl und zum anderen war das Fahrradfahren im Vergleich zum Nachmittag einfacher. Der normale Tagesablauf sah für uns ungefähr so aus:
05:30 Wecker klingelt
06:30 Aufs Fahrrad geschwungen
08:30 Frühstück irgendwo im Schatten
12:30 Mittagspause mit leckerem selbstgekochtem Essen
16:00 Der Kampf gegen den Wind wird fortgesetzt
19:00 Zelt wird aufgestellt um möglichst vor den Mücken ins Zelt zu kommen
21:00 Gute Nacht
Auf Grund unseres ziemlich straffen Zeitplans haben wir leider nicht viel von den Menschen und der Kultur in Turkmenistan mitbekommen. Wir sind wirklich einfach nur durch das Land durchgehetzt. Schade eigentlich, denn es wäre sicherlich interessant gewesen mit den Menschen in einem Land zu reden, welches in seiner Unterdrückung der freien Presse nur noch von Nord Korea und Eritrea übertroffen wird. Wir empfanden die Menschen in Turkmenistan aber als sehr angenehm. Uns wurde ständig ein freundliches “Hello” zugerufen. Oft erzwangen die Menschen mit lautem Rufen oder Pfeifen unsere Aufmerksamkeit, nur um uns ein Lächeln oder Winken zukommen zu lassen. Wenn wir irgendwo pausierten, wurden wir dagegen relativ in Ruhe gelassen. Manchmal kam jemand vorbei und fragte uns nach unserer Herkunft und unserer Reiseroute, um dann aber auch direkt wieder zu verschwinden – sehr angenehm und entspannt nach den Belagerungen in der Türkei und dem Iran. Fasziniert waren wir auch von der Mode der turkmenischen Frauen: Bunte, bodenlange, manchmal sehr figurbetonte Kleider mit kurzen Ärmeln und dazu ein buntes Kopftuch, welches kunstvoll um den Kopf gewickelt wird, vereinen sich mit dem manchmal komplett vergoldeten Lächeln zu einer sehr farbenfrohen Erscheinung. Nach den schwarzen Burkas in der Ost-Türkei und dem Iran bestaunten wir die Frauen und freuten uns über die nun wieder auch für uns lockereren Kleidungsregeln.
Kulinarisch dagegen war Turkmenistan für uns eine absolute Enttäuschung. Auf unserer Strecke lag etwa alle 50-70 km ein Café, welches auch warme Speisen anbot. Als wir zu unserer Mittagspause in dem Kafe Telegrom ankamen, freuten wir uns mal wieder darauf, bekocht zu werden. Allerdings hatte man nur zwischen zwei Gerichten die Wahl: Schischlik (Fleisch am Spieß) mit Brot oder Suppe (große Fleischstücke in klarer Brühe) mit Brot. Beides überzeugte uns wenig. Nach diesem Erlebnis haben wir uns lieber wieder auf unsere eigenen Kochkünste verlassen. Deswegen haben wir nur einen kleinen Eindruck von der turkmenischen Küche bekommen, und dieser war nicht gerade der Beste :/
Schnell zeichnete sich schon ab, dass wir es alleine mit dem Rad nicht schaffen werden, Turkmenistan innerhalb der 5 Tage zu durchqueren. Die ständige Hitze, der starke Gegenwind und die kaputten Straßen nagten sehr an uns, sowohl physisch als auch psychisch. Mit dem Zeitdruck im Nacken ging es uns nicht besser und wir wollten einfach Turkmenistan hinter uns lassen. Also haben wir unsere Tramping-Skills angewendet und innerhalb von 2 Stunden mitten in der Wüste auch einen netten Trucker gefunden, der uns trotz vieler Polizeikontrollen auf der Strecke mitnahm. Die Fahrräder wurden sicher auf den Ariel-Kartons im Laderaum verstaut und Bine machte es sich im Schlafabteil der Fahrerkabine bequem. Es war schön, die wenig abwechslungsreiche Landschaft mit 90 km/h anstatt 9 km/h zu durchfahren :) . Leider fuhren wir mit diesem Tempo auch an den einzigen Kamelen, die wir auf der Strecke gesehen haben, vorbei.
Am fünften Tag kamen wir dann pünktlich zur Öffnung der Grenzstation Farap um 9 Uhr an. Zum Abschied wurden noch einmal unsere Taschen durchsucht und unsere E-Book Reader vom Zöllner kritisch beäugt. Die usbekischen Zoll-Beamten standen dabei den Turkmenischen in nichts nach, allerdings haben sie sich auf unsere Medikamente spezialisiert. Jedes Medikament wurde genau untersucht und wir erklärten mit Hand und Fuß gegen welche Krankheit es hilft. Nach drei Stunden und viel Papierkram war es dann endlich geschafft, wir waren in Usbekistan und hatten endlich wieder Zeit zu entspannen. Die heiß ersehnte Dusche nach 7 Tagen Wüste war nur noch 97 km entfernt und so fiel uns das Radeln nach Bukhara nicht sehr schwer.
Hier in Bukhara genießen wir die freien Tage und die schöne Altstadt bei Gesprächen mit ein paar anderen Reiseradlern die im gleichen Hostel wie wir untergekommen sind. Mit Bier und Vodka stimmen wir uns langsam schon einmal auf den Alltag in den Stans ein. Wir planen unsere nächsten Wochen, in denen wir Usbekistan möglichst schnell durchqueren wollen, um die letzten warmen Tage Kirgisistans noch zu erleben. Wir müssen uns beeilen, um die hohen Pässe in Kirgisistan nicht bei Schneefall zu erwischen. Wir freuen uns außerdem schon richtig auf die grünen Berge! Wir nehmen es also in Kauf, Usbekistan hauptsächlich mit öffentlichen Verkehrsmittel zu durchqueren. Von Bukhara werden wir morgen mit dem Zug nach Samarkand fahren und die letzten Wüstenkilometer durch eine Scheibe an uns vorbei rauschen sehen.