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Superlative

Superlative

10. Juli2014

Am höchsten, am schnellsten, am weitesten, am heißesten, am glücklichsten, am frühsten, am krankesten, am verrücktesten, … Wenn wir jetzt noch angestrengter nachdenken, würden uns bestimmt noch mehr Superlative einfallen, die unsere letzten Tage beschreiben. Wir haben gefühlt jeden Tag einen neuen Rekord aufgestellt und uns dabei gegenseitig so sehr motiviert – wir hatten sehr viel Spaß und das Fahrradfahren allein stand mal wieder im Fokus.

In Selime (Kappadokien) hatten wir uns spontan dazu entschlossen, unseren Hotelaufenthalt um einen Tag zu verlängern, als Thorsten die Nacht vor unserer geplanten Weiterreise größtenteils im Bad verbracht hatte. So erlebten wir unseren ersten Tag im Ramadan ziemlich isoliert im Hotelzimmer und fasteten unfreiwillig auch ein wenig mit. Am nächsten Tag waren wir aber umso fitter und legten die Strecke bis nach Göreme trotz extremem Gegenwinds an einem Tag zurück – passend zu Thorstens Geburtstag waren wir also im (touristischen) Zentrum Kappadokiens angekommen. Wir müssen zugeben, die Landschaft war wirklich einmalig schön, total faszinierend. Wir können verstehen, dass sich Menschen aus aller Welt hier busweise hinkarren lassen! Thorstens Geburtstag entsprach trotzdem überhaupt nicht dem Standard-Touristen-Programm: Bereits um 4:30 Uhr starteten wir mit einer kurzen, aber steilen Wanderung zu einem Aussichtspunkt über der Stadt. Wir sahen die Sonne über den skurrilen Felsen aufgehen und hatten dabei einen perfekten Blick auf den Start von ca. 100 Heißluftballons. Ein schöner Start in den Tag! Danach legten wir uns allerdings auch wieder kurz schlafen ;) Gut ausgeruht beschlossen wir dann, mit unseren leichten Fahrrädern weniger touristische Pfade zu erkunden. Wir wollten das Red/Rose Valley sehen, in dem die Felsen einen rötlichen Schimmer haben und es natürlich mal wieder viele Höhlen und Höhlen-Kirchen zu sehen gibt. Der Weg ins Valley war schon abenteuerlich, wir hatten irgendwie den Reiterpfad gewählt, um die kleine Hügelkette zu überqueren. Viel Fahren war da nicht möglich, statt dessen Schieben und Krakseln ;) Als wir vor dem Start eines Wanderweges durch die Felsen des Red Valleys kurz überlegten, ob wir mit dem Fahrrad hindurch fahren können, sprach uns ein türkischer Tourguide an und versicherte uns, dass bis auf einen kurzen steilen Anstieg zu Beginn der Rest des Weges gut mit dem Fahrrad zu meistern wäre. Also hoch da :) Nach 15 Minuten bereuten wir unsere Entscheidung und verfluchten innerlich den Tourguide. Die Strecke war schon fürs Wandern wirklich anspruchsvoll. Man hätte stellenweise wirklich beide Hände zum Festhalten gut gebrauchen können. Wir hatten statt dessen beide Hände voll zu tun, unsere Fahrräder mit uns durch die schmalen Trassen zwischen den Felsen zu befördern. Wir kamen richtig ins Schwitzen, wurden aber mit wirklich tollen Ausblicken belohnt (die wir mangels freier Hände nicht fotografieren konnten ;) ). Diese Aktion war wirklich verrückt, wir haben aber viel über uns gelacht und waren nach 2 Stunden stolz auf unsere Leistung – das muss uns erst einmal jemand nachmachen! Zurück in Göreme trafen wir dann tatsächlich alte Bekannte wieder: Anne-Ce und Nico, die wir in Istanbul durch Lili und Dani kennengelernt hatten. Die beiden sind mit ihren Trikes auf dem Weg von Paris nach Bangkok. Wir verabredeten uns für den Abend für ein oder zwei Bier, um gemeinsam Frankreich im WM-Achtelfinale anzufeuern. Das Deutschland-Spiel im Anschluss war uns dann aber zu spät und wir verfolgten es gemütlich im Hotel. Besser war das auch, denn nun war Sabine krank und hatte eine schlaflose Nacht im Badezimmer.

Trotzdem brachen wir am nächsten Tag in Richtung Kayseri auf. Da Sabine jedoch nicht 100% fit war und vor allem müde, machten wir nach 30 km an einer Tankstelle bzw. dem angegliederten Restaurant Rast. Wir ruhten uns und hatten eine lustige Zeit mit den Mitarbeitern und Besitzern des Restaurants. Am Ende durften sogar wir die Löffel in der Küche für unser Abendessen schwingen :) Wir bewunderten Gazi, der den ganzen Tag am heißen Ofen die Pide und Brote zubereitete und dabei keinen Tropfen Wasser zu sich nahm, da er strickt Ramadan einhält.

Nach diesen eher gemütlichen Tagen, in denen wir uns genügend erholen konnten, traten wir in den Folgetagen ordentlich in die Pedale. Wir radelten am Fuße des stillen Vulkans Erciyes Dağı, dessen vergangene Aktivitäten verantwortlich für die schöne Landschaft Kappadokiens sind, entlang der Hauptstraße D300. Auf unserem Weg immer weiter Richtung Osten legten wir dabei in 3 Tagen 270 km zurück und hatten angekommen in Gürün 2800 Höhenmeter in den Beinen. In diesen Tagen standen wir auf 1900 Metern Höhe und zelteten auf 1800 Metern Höhe. Bergab erreichten wir Spitzengeschwindigkeiten von 70 km/h. Doch unseren absoluten Rekord in Sachen Höhenmetern stellten wir am nächsten Tag auf: Unsere mittlerweile wirklich kräftigen Beine trugen uns 1250 Meter an nur einem Tag bergauf. Danach fielen wir abends wirklich müde auf unsere Luftmatratzen und schliefen wunderbar inmitten einer Aprikosenplantage bei kräftigem Wind nach kühlendem Regen. Wir haben mittlerweile einen wirklich guten Rhythmus gefunden. Um 5:30 klingelt unser Wecker. Bevor wir aus dem Zelt kriechen, packt jeder seinen Schlafsack und seine Matratze zusammen, ziehen uns um. Bereits um 6 Uhr ist es möglicherweise brüllend heiß im Zelt, wenn die Sonne direkt darauf steht, das spornt an ;) Thorsten bepackt schon einmal die Fahrräder, während Sabine im Innenzelt für Ordnung sorgt und alles in Taschen verstaut. Falls das Zelt trocken ist (was bei den wenig kühlen Nächten und heißen Morgenden der Fall ist), packen wir das Zelt direkt zusammen. Ansonsten schwingt Thorsten das Zelthandtuch, während Sabine bereits das Frühstück vorbereitet. Nach einem Müslifrühstück mit frischem Obst und angerührter Milch aus Baby-Milchpulver, putzen wir uns die Zähne, verschwinden kurz hinter Büschen (falls vorhanden, ansonsten muss man kreativ sein!), cremen uns ein und sitzen um 7 Uhr auf dem Fahrrad. Morgens ist es noch angenehm kühl, so dass wir bis zur kurzen Pause für einen kleinen Snack um ca. 10 Uhr bereits 20-40 km auf dem Tacho stehen haben (je nach dem wie die Bedingungen so sind…). Um 12 Uhr steuern wir dann einen schattigen Platz für eine längere Mittagspause an. Meistens bieten uns Tankstellen mit ihren Restaurants (die auch im Ramadan alle geöffnet sind) kleine schattige Oasen. Hier essen wir oft eine Kleinigkeit zu Mittag, z.B. Çorba (eine Suppe, die es in vielen Variationen gibt, meistens aus Linsen oder Bohnen), Pide (die bei Weitem beliebtere türkische Pizza als Lahmacun!) oder Gemüsepfannen. Je nach Lust und Laune (und Temperaturen) starten wir dann um 15-16 Uhr und radeln entspannt weiter. Ab ca. 18 Uhr halten wir Ausschau nach einem geeigneten Zeltplatz. Zunächst zu Fuß erkunden wir potentielle Gebiete, um die Fahrräder nicht unnötig durch unwegsames Gelände zu schieben. Ist ein Platz gefunden, kochen wir Nudeln, Reis und Kartoffeln im Schatten (falls keine Bäume vorhanden, kommt unsere Plane zum Einsatz). Falls noch Wasser in unseren Wasserbeuteln übrig ist, gibt es eine kurze Waschsession. Sobald die Sonne anfängt unterzugehen und es kühler wird, bauen wir unser Zelt auf und kriechen mit dem Erscheinen der ersten Sterne in unser gemütliches Zuhause.

Unser Weg nach Malatya war gesäumt von Aprikosenplantagen. Überall am Wegesrand konnte man getrocknete Aprikosen kaufen. Wenn ihr im Supermarkt das nächste Mal getrocknete Aprikosen kauft, stammen sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% aus Malatya :) Wir verbringen hier 2 entspannte Tage, schlendern über den wirklich authentischen Basar (ganz anders als in Istanbul!), kaufen ein Iran-taugliches Oberteil für Sabine (das bald zum Test-Einsatz kommen wird… jeder Tag im T-Shirt ist noch ein Genuss!! Während in der Türkei lediglich auf bedeckte Beine und Schultern geachten werden muss, besteht im Iran die Pflicht, sowohl Arme als auch Beine und Haare zu bedecken. Die Hüfte muss durch ein langes und weites Oberteil kaschiert werden). Der krönende Abschluss dieses erfolgreichen Aufenthalts ist das 7:1 von Deutschland gegen Brasilien. Wir sind angespornt, bis Sonntag in einer Unterkunft mit Fernseher zu sein! ;) Bei ansteigenden Temperaturen bis 38°C am Samstag pedalen wir durch den kurdischen Teil der Türkei Richtung Tatvan.

Gefahrene Strecke

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