Menü
Radfahren in den Mai

Radfahren in den Mai

08. Mai2014

Als wir in Belgrad losfahren, ist es für die Serben der letzte Arbeitstag vor einem langen Wochenende. Von Miloš haben wir am Abend zuvor erfahren, dass der erste Mai in Serbien ein Volksfeiertag ist, der gerne mit Campen und Grillen im Freien verbracht wird. Dies bereitete uns hohe Konkurrenz auf der Suche nach einem schönen Wildcamping-Platz, wir waren nicht mehr die Einzigen ;) Die Stimmung derer, die wir auf unserem holprigen Weg getroffen haben, war sehr ausgelassen und freundlich. Es herrschte allgemeine Feierlaune trotz des langsam immer regnerischer werdenden Wetters. So werden wir von einem heranziehenden Gewitter in ein Restaurant getrieben, wo wir noch einmal der serbischen Küche eine Chance geben wollen. Für Sabine ist es wahrlich nicht einfach, ein Gericht zu finden. Die serbischen Speisekarten bestehen aus verschiedenen Variationen von Fleisch mit (sehr wenig) Pommes und das meist mit sehr viel Fett. Kreativität zeigt sich darin, dass es manchmal Fleisch mit Fleisch gefüllt gibt. Wir freuen uns jedes Mal darauf, selber unsere Outdoor-Kochkünste walten zu lassen: Endlich wieder Gemüse! Es gibt viel regionales Gemüse in kleinen Supermärkten in jedem Dorf zu kaufen. Doch auch, wenn uns die traditionelle serbische Küche bis zum Schluss nicht gewinnen konnte, die Mentalität der Serben mochten wir sehr: Ein so hilfsbereites, offenes und fröhliches Volk haben wir selten erlebt. Wir sind froh, dass uns unser Weg durch dieses uns zuvor eher durch Konfliktnachrichten bekannte Land geführt hat. Ein passender Abschied von Serbien wurde uns von einem netten Mann bei regnerischem Wetter beschert: Er lud uns zu Tee ein und wir konnten uns aufwärmen und trocknen. Auf Deutsch (!) unterhielten wir uns über das Leben in seinem Dorf. Immer wieder während unserer Zeit in Serbien waren wir erstaunt darüber, wie viele Serben Deutsch sprachen. Dass sich nun auch in diesem wirklich kleinen Dorf jemand fand, der Deutsch sprach, erstaunte uns noch mehr. Im Gespräch mit dem Dorfbewohner fanden wir dafür schnell eine Erklärung: In den Dörfern gibt es ganz einfach keinerlei Möglichkeiten, eine vernünftige und regelmäßige Arbeit zu finden – schon gar nicht ist an eine Ausbildung wie wir sie kennen zu denken! Aus diesem Grund gehen viele Serben z.B. nach Deutschland, um dort zu arbeiten und manchmal auch dauerhaft zu leben. Wir sind auf unserem Weg durch viele Dörfer gekommen und stimmen zu: hier gibt es wirklich NICHTS. Junge Menschen sind uns auch selten begegnet – auf Dauer ein wirkliches Problem!

Auch landschaftlich hat Serbien uns einen wunderschönen Abschied bereitet. 2 Tage fuhren wir im Bereich des Eisernen Tors durch den Nationalpark Đerdap (kyrillisch: Ђердап) (Tatsächlich können wir – zumindest Bine – mittlerweile kyrillisch lesen, wirklich sehr nützlich!). Die Donau fließt hier direkt zwischen Bergen hindurch und ist mal sehr breit und mal sehr schmal und tief. Auf der linken Donauseite liegt Rumänien und auf der rechten Serbien. Dies wird uns an einem Morgen unfreiwillig bewusst, als wir eine Stunde früher als geplant geweckt wurden: Sabines Smartphone hatte sich in rumänisches Netz eingeloggt und automatisch die Uhr umgestellt (Rumänien hat GMT+3, Serbien hat GMT+2). Wir wurden um 05:30 anstatt 06:30 geweckt und wunderten uns dann beim Frühstück, dass es gerade mal 6 Uhr war. Diese eine Stunde war aber ein Geschenk, da wir früher als normal, nämlich um 07:30 abfahrbereit waren (siehe Beweisfotos ;) ). So hatten wir eine Stunde mehr Zeit, die unglaublich schöne Landschaft zu genießen. Für uns war dies mit Abstand der schönste Abschnitt der Donau, den wir gesehen haben! Die steilen, im Wasser endenden Berghänge erinnerten uns stark an die norwegischen Fjorde. Auch die nun endlich wieder vorkommenden Steigungen hatten norwegisches Flair – es ging immer wieder auf und ab. Es hat uns Spaß gemacht endlich wieder unsere Muskeln trainieren zu können, sicherlich notwendig für das bevorstehende Balkangebirge. Auch unsere Taschen wurden bei einer Durchquerung eines über die Ufer getretenen Baches auf Wasserdichte überprüft! Test bestanden :) Ansonsten hatten unsere Taschen bisher noch nicht viel Wasser abbekommen. Es war schon fast unheimlich: Wir fuhren über nasse Straßen, nasse Autos kamen uns entgegen, wir sahen Regen auf der rumänischen Donauseite herunterkommen, aber über uns schien meist die Sonne, maximal ein paar Wolken schoben sich davor. Dies änderte sich abrupt, nachdem wir den Nationalpark verlassen hatten. In Kladovo wollten wir uns nach 4 Nächten im Zelt mal wieder eine warme Dusche und eine Nacht im Zimmer gönnen, doch aufgrund des langen Wochenendes waren alle bezahlbaren Zimmer belegt. In einem Restaurant trafen wir Romain, einen französischen Reiseradler auf dem Weg von Istanbul nach Paris. Er hatte bereits den perfekten Zeltplatz für die kommende Nacht ausfindig gemacht und lud uns ein, diesen mit ihm zu teilen. Kaum hatten wir unsere Zelte in einer Parkanlage von Kladovo aufgebaut, gab es einen Wolkenbruch, der bis zum nächsten Tag anhielt. Serbien weinte offensichtlich um uns – kaum hatten wir die Grenze nach Bulgarien erreicht, wurde das Wetter besser.

Auch wir waren traurig, Serbien nun hinter uns zu lassen, wir haben uns dort so wohl gefühlt! Doch es wartete wieder ein neues Land auf uns: Bulgarien wollten wir abseits der Donau kennenlernen. Den Donauradweg verließen wir voller Vorfreude auf Gegenden im Balkangebirge, die bisher kaum von Reiseradlern besucht wurden. Für uns heißt das: Steigungen! Allein an unseren beiden ersten vollen Tagen in Bulgarien mussten wir 1500 Höhenmeter erklimmen, um überhaupt zu den ersten Bergen des Balkangebirges über 300 Meter zu gelangen.

Der Frühling ist in den Balkanländern mit sehr viel Feierlichkeiten verbunden. Direkt an unserem ersten Radtag in Bulgarien wurden wir hiervon wieder überrascht. Es war St. Georgs Tag, der letzte Tag des bulgarischen Frühlingsfestes. Traditionell wird an diesem Tag ein Lamm geschlachtet und über offenem Feuer gegrillt. Ohne diese Hintergründe zu wissen, radelten wir durch kleine Dörfer und wunderten uns über das Massengrillen und die ausgelassene Stimmung. Am Abend wurden wir von einem freundlichen Bulgaren eingeladen, an seiner privaten Stelle an einem See zu zelten. Während wir unser Zelt aufbauen, werden wir von dem Bulgaren und einem jüngeren Freund von ihm (Zlati) genau beobachtet. Beide sprechen leider weder Deutsch noch Englisch. Trotzdem kam am Abend noch ein weiterer Freund (Dimitri), der uns kennenlernen wollte. Bei einer Unterhaltung mit Händen, Füßen und Google Translate haben uns Zlati und Dimitri dann noch Lammfleisch und selbstgemachten Wein angeboten. Dafür fuhren sie mit dem Auto extra noch einmal nach Hause, um uns mit diesen Köstlichkeiten zu überraschen. Das Fleisch war wirklich zart und der Wein richtig stark! Als wir auf die Frage, wohin unsere Reise mit dem Fahrrad geht, antworteten “Neuseeland”, wurden wir von ihnen auf Deutsch für “bescheuert” erklärt :) . Trotz der mühsamen Unterhaltung haben wir sehr viel Spaß und fühlen uns in Bulgarien absolut willkommen. Ein schöner Start!

Langsam wird es bergiger und wir können schon in der Ferne unsere nächste Herausforderung sehen: Das Balkangebirge mit weißen Schneekuppen und vielen Höhenmetern! Wir sind richtig froh, die Entscheidung getroffen zu haben, von der Donau abzuweichen, da die Landschaft hier einfach toll ist. In Vratsa angekommen genießen wir nun bei Sonnenschein diese schöne Stadt und unseren ersten faulen Tag seit Belgrad. Wir freuen uns aber schon auf das Balkangebirge, welches wir in der nächsten Woche überqueren werden, um ins Rosental zu gelangen. Unsere Muskeln sind hoffentlich darauf vorbereitet ;)

Gefahrene Strecke

Legende

  • Fahrrad
  • Zug/Bus/Schiff
  • Flugzeug