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ferner Süden – naher Westen

ferner Süden – naher Westen

11. März2015

Wochen der extremsten Gegensätze liegen hinter uns. Wir haben uns in der reichsten Stadt Südostasiens von diesem sehr abwechslungsreichen Teil der Erde verabschiedet und sind wieder zurück nach Europa geflogen. Von der heiß-schwülen Luft und der warmen Gastfreundschaft nahe des Äquators sind wir von einem Flieger in das feucht-kühle März-Wetter und die zurückhaltendere europäische Freundlichkeit im Osten von Frankreich katapultiert worden. Den bunten Mix der Kulturen in Malaysia und Singapur haben wir innerhalb eines Tages gegen die uns bekannte Gesellschaft Europas eingetauscht.

Nach unserer faulen Woche auf Tioman freuten wir uns wieder so richtig darauf, endlich wieder aktiv zu werden und auf die Fahrräder zu steigen. Bis zu unserem Endziel Singapur waren es nur zwei Fahrradtage und wir waren voller Euphorie: unsere letzten Kilometer in Asien lagen vor uns! Unsere Laune bekam allerdings bald einen Dämpfer: Wir fuhren entlang der einzigen Straße, die Mersing und somit die gesamte Ostküste der malayischen Halbinsel mit Singapur verbindet. Dementsprechend wurde die Straße immer voller je näher wir Singapur kamen und die Autofahrer schienen immer weniger Rücksicht auf uns zu nehmen. Völlig gestresst aber glücklicherweise unversehrt erreichten wir die Grenze nach Singapur bei Johor Bahru. Johor Bahru ist so etwas wie eine malayische Vorstadt von Singapur, in der man verhältnismäßig günstig leben kann während man in Singapur das große Geld verdient. Dementsprechend ist der Verkehr zwischen den beiden Städten ziemlich rege – und wir steckten mitten drin :) Unser letzter Grenzübergang in Asien war wohl gleichzeitig auch unser geschäftigster. Es gibt eine gesonderte Spur nur für Motorradfahrer, die sich in ca. 20 Warteschlangen für die einzelnen Schranken aufsplittet. Wir beschlossen, wohl am ehesten zu den Motorradfahrern zu gehören (erstaunlicherweise gab es für Fahrradfahrer keine eigene Spur ;) ). Und obwohl wir nicht zur Rush-hour unterwegs waren und der ganze Prozess schon ziemlich optimiert ist, dauerte es über eine Stunde, bis wir endlich die heiß ersehnten Stempel in den Pässen hatten! In Singapur hatten wir etwa 30 km zurückzulegen, um zu dem südlichsten Punkt der Stadt und damit zum südlichsten Punkt unserer Reise zu gelangen. Staunend radelten wir durch Singapur mit seinen breiten, sauberen Straßen, seinem geordneten Verkehr und vor allem seinen zahlreichen Grünflächen und Alleen. Die Stadt ist unglaublich grün, das hatten wir wirklich nicht erwartet! Große Bäume säumten die Straßen und gaben lediglich den Blick frei auf die kleineren, historischen Häuser, die oft die erste Reihe entlang der Straße einnahmen. Erst dahinter erhoben sich die Hochhäuser. Ein toller Kontrast und eine tolle Atmosphäre! Wir waren direkt zu Beginn begeistert und staunten immer wieder über den Reichtum dieser Stadt, der sich an fast jeder Ecke zeigte.
Der offiziell so bezeichnete südlichste Punkt Kontinental-Asiens liegt auf einer, der Stadt vorgelagerten Insel. Vorbei an einem riesengroßen Funpark radelten wir über steile Hügel und erreichten den sehr schön hergerichteten und vor allem nahezu einsamen, südlichsten Sandstrand, den unsere Füße und Reifen jemals betreten haben ;) Wir haben es geschafft! Von hier aus konnten wir nicht weiter radeln, weder nach Osten, noch nach Süden oder Westen. Der einzige Weg per Fahrrad führte uns von nun an zurück. Ein merkwürdiges Gefühl, an diesem Ort zu stehen, der noch vor etwa einem Jahr in fast unerreichbarer Ferne lag. Zu Beginn unserer Reise lag es irgendwie außerhalb der Vorstellungskraft, dass man mit dem Fahrrad tatsächlich bis nach Singapur radeln kann. Aber von Zwischenziel zu Zwischenziel haben wir uns immer weiter vorgearbeitet. Und da standen wir nun und trotzdem, obwohl man den Beweis ja schließlich vollführt hat, erscheint es einem immer noch unwirklich, dass man eine solche Strecke mit dem Fahrrad zurückgelegt hat! Aber nicht nur die Distanz ist das, was unsere Reise ausmachte. Auf unserem Weg mussten wir uns in den unterschiedlichsten Kulturen, Gesellschaften und Gegenden zurechtfinden – das war wohl die größte Anstrengung an manchen Tagen! Nun waren wir an unserem letzten Ziel in Asien angekommen. Das nächste Ziel, das auf uns wartete, war das bekannte Europa – hier wissen wir wie alles funktioniert, das Leben ist einfach! Und das erzeugte bei uns in diesem Moment, an dem südlichsten Punkt unserer Reise neben dem Stolz auf das Geschaffte auch eine gewisse Erleichterung und natürlich auch Vorfreude! Vorfreude auf den kühlen Frühling (endlich nicht mehr schwitzen, sobald man nur den Fahrradständer hochklappt!), auf europäisches Essen, schöne Städte und vor allem auf unsere Freunde und Familie!
Aber bis zum tatsächlichen Ende unserer Reise ist es noch ein wenig hin. Bis dahin gibt es noch so viel zu erleben und zu sehen! In Singapur blieben uns 3 Tage bis unser Flieger nach Paris ging. Bis dahin mussten unsere Fahrräder flugtauglich verpackt und die Stadt erkundet werden :) Wir waren im Tree In Lodge untergekommen, welches DER Anlaufpunkt für Reiseradler in Singapur ist. Wir bekamen dort nicht nur eine sehr günstige Schlafmöglichkeit, sondern auch viele Informationen und Unterstützung! Bei der Organisation der Kartons und sonstiger Verpackungsmaterialien für unsere Fahrräder war Swee Kian, einer der Eigentümer des Hostels, eine großartige Hilfe. Trotzdem entpuppte sich noch das Verpacken der Fahrräder als ziemlich komplizierte Geschichte, da die Fahrräder in Asien standardmäßig kleiner verpackt sind und unsere Fahrräder somit bis auf ein Minimum auseinander gebaut werden mussten, um in die Kartons zu passen. Während wir unsere Fahrräder mit tatkräftiger Unterstützung von Christian, einem anderen Reiseradler, auseinander bauten und in die Kartons puzzelten, zeigte sich eine Gruppe von thailändischen Journalisten für ein Fahrradmagazin interessiert an uns. Kurzerhand wurde die ganze Aktion auf Bildern und Videos festgehalten und Thorsten wurde sogar interviewt :)

Unsere Zeit zum Sight-seeing in Singapur war zwar knapp bemessen, aber – indem wir uns nur einem Schwerpunkt widmeten – eigentlich ganz entspannt. Singapur zeichnet sich kulturell genau so wie Malaysia auch dadurch aus, dass es neben den Malayen viele Chinesen und Inder gibt und sich diese Gruppen kaum durchmischen. Da wir in Malaysia von den Indern und Chinesen relativ wenig mitbekommen haben, entschieden wir uns, diese Lücke in Singapur zu schließen und Chinatown und Little India zu besichtigen. Beide Stadtteile begeisterten uns durch ihre authentische Atmosphäre und interessante Architektur. Und wirklich faszinierend ist die Tatsache, dass man inmitten von chinesischem Essen, chinesischen Schriftzeichen und chinesisch aussehenden Menschen in die Metro steigt, drei Stationen fährt und dort plötzlich von indischem Essen, indischer Musik, in Saris gekleideten Frauen und Männern mit Schnäuzern umgeben ist – man hat das Gefühl, innerhalb weniger Minuten in ein anderes Land gereist zu sein. Die einzige Gemeinsamkeit, die sich beide Viertel teilen, sind die Hochhäuser im Hintergrund und die Touristen! Abends ließen wir uns bei einer Flasche französischem Wein vom Reichtum der Stadt durch eine kostenlose Lichtershow und den Blick auf die hohen Prachtbauten beeindrucken. Ein sehr schöner letzter Abend in Asien – wenn auch sehr konträr zu unseren Erfahrungen der letzten Monate.

Mit dem Taxi ging es am nächsten Tag zum Flughafen und wir waren voller Sorge, dass wir über den inklusiven 30 kg Gepäck pro Person liegen werden, das würde nämlich teuer werden! Klar hatten wir im Hostel alles gewogen, aber es war wirklich eine knappe Sache. So viel wie möglich steckten wir ins Handgepäck und rollten zur Gepäckaufgabe. Und tatsächlich, wir hatten insgesamt 2 kg zu viel, was uns 50€ kostet! Die Frau am Schalter sah unsere sorgevollen Gesichter und sagte leise mit einem Lächeln “Don´t worry”. Puh, welch Erleichterung :) Um 62 kg leichter traten wir also unseren Flug nach Paris an. Innerhalb von 14 Stunden flogen wir all die geradelten Kilometer wieder zurück, einfach so während wir schliefen. Und als wir aufwachten waren wir in Paris. War das merkwürdig, als wir aus dem Flieger stiegen. Alle Menschen um uns herum waren in dicke Jacke gepackt, die fast ausnahmslos alle schwarz waren (warum ist das eigentlich so? Warum kleiden sich im Winter alle in dunkle Farben? Das macht einen grauen Wintertag nicht unbeding fröhlicher, oder?) und wir fielen optisch plötzlich überhaupt nicht mehr auf: blonde Haare, helle Haut, lange Nasen überall um uns herum :) Schon komisch, dass so viel Vertrautheit so fremd scheinen kann.
Als wir die Kartons mit unseren Fahrrädern endlich bekamen, waren wir erst einmal erleichtert, dass beide Kartons da und noch zu waren. Allerdings sahen wir schnell, dass man mit ihnen nicht besonders behutsam umgegangen war. Und beim Auspacken mussten wir uns dann auch über so manchen Lackschaden ärgern. Uns gelang es aber recht schnell, beide Fahrräder wieder zusammenzubauen. Nach 2 Stunden saßen wir auf unseren Fahrrädern und rollten vorbei an unserem Riesenvogel, der uns den langen Weg getragen hatte, in Richtung Paris. Es war ziemlich graues Frühlingswetter, aber trotzdem freuten wir uns total: wir hatten wieder Fahrradwege, die Luft war so unglaublich frisch und es war ein herrliches Gefühl den kühlen Fahrtwind auf den sich langsam erwärmenden Wangen und Ohren zu spüren! Bester Laune fuhren wir entlang eines Kanals in die Stadt hinein und unser erstes Ziel war erst einmal die Post. Dort wartete ein Paket auf uns mit unserem eigenen Zelt und dicken Schlafsäcken, Campingzubehör und Fahrradtaschen und natürlich einer kleinen schokoladigen Überraschung :)

In Paris anzukommen war perfekt, um uns langsam wieder auf die Heimat einzustimmen. Klar war in Paris alles schon wieder irgendwie vertraut, aber immer noch auch irgendwie fremd. Wir mussten beispielsweise unser Französisch herauskramen, um uns manchmal verständigen zu können und auch das typisch französische Essen war doch noch sehr anders als das Deutsche. Wir genossen all die leckeren französischen Gebäcke und Kaffees (Paris ist voll von kleinen, einladenden Cafés!), sahen uns die Sehenswürdigkeiten der Stadt an und trafen unsere Freunde Anne-Cé und Nico, die nach einem Jahr auf ihren Trikes bereits seit einigen Wochen wieder in der Heimat waren. All das half uns wunderbar, unseren Jetlag schnell zu überwinden und so konnten wir nach 2 Tagen in Frankreichs Hauptstadt gut ausgeruht auf die Fahrräder steigen, um uns langsam immer weiter in vertraute Gegenden zu wagen.

Gefahrene Strecke

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