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Auf in den Süden

Auf in den Süden

26. November2014

Wir haben China hinter uns gelassen und sind nun in Laos! Unglaublich auch für uns, dass wir schon so weit gekommen sind. Wir haben das Gefühl nun in dem entspannteren Teil unserer Reise mit viel Urlaubsfeeling angekommen zu sein. Auch das Klima hat sich innerhalb der letzten Tage sehr geändert, wir sind nun wirklich in den Subtropen und schwitzen, schwitzen, schwitzen sobald die Sonne sich einmal zeigt ;)

Von Lijiang haben wir noch ein Stück die Pfade der Touristenmassen verfolgt und sind nach Dali gefahren. Ein paar Berge standen uns bis zu diesem Ziel noch im Weg, die wir aber recht mühelos überwunden haben. Danach rollten wir am Erhai-See entlang durch ein breites Tal auf einer super Straße. Bereits mittags kamen wir in der Altstadt von Dali an. Den verbleibenden Nachmittag verbrachten wir damit, die Altstadt zu erkunden. Ebenso wie Lijiang, ist auch die Altstadt von Dali komplett in der Hand der Touristen. Es war schön, sich das Getummel einen Nachmittag lang anzuschauen und dann am nächsten Tag wieder aufzubrechen. Wir hatten erst einmal genug von dem Massentourismus. Wahrscheinlich tun wir Dali aber auch ein wenig Unrecht, da wir nur sehr kurz dort waren und viele Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten nicht mitgenommen haben.

Nach sechs Wochen China hatten wir mal wieder Lust auf eine Veränderung der Kultur und sehnten uns Laos herbei, unserem nächsten Land auf unsere Route. Deswegen entschieden wir uns, ein wenig aufs Tempo zu drücken. Bis zur Grenze waren es noch 750 km und wir haben eine fixe Deadline, zu der wir in einer größeren Stadt mit schnellem Internet sein müssen. Vera und Andreas, Thorstens Bruder, heiraten am Samstag standesamtlich und wir wollen natürlich live dabei sein (auch wenn es leider nur per Skype möglich ist). Da Laos nicht das bevölkerungsreichste Land ist, war unser Ziel damit Luang Prabang, ca. 300 km nach der Grenze. Wir hatten also innerhalb von 13 Tagen 1050 km zu erradeln, eine Strecke für die wir normalerweise einen Monat einplanen. Die bergige Landschaft machte unser Ziel noch ein wenig ambitionierter :)

Voller Tatendrang brachen wir aus Dali auf. Obwohl wir uns beide eine ordentliche Erkältung eingefangen hatten, wollten wir zumindest ein paar Kilometer fahren. Wir radelten also erst einmal in die neue Stadt Dali, wo sich auch noch Unterkünfte finden lassen. Das Wetter sah auch nicht sehr vielversprechend aus: Aus den Bergen zogen dichte Wolken heran und wir befürchteten, ordentlich nass zu werden. Aber unsere Beine waren voller Power und wir hatten bisher immer Glück mit dem Wetter gehabt – also ließen wir es darauf ankommen und begannen den Anstieg in die Berge. Kaum waren wir im nächsten Tal angekommen, wurden wir für unsere Entscheidung belohnt, es eröffnete sich uns ein strahlend blauer Himmel und wir genossen das angenehm warme Wetter. Für unsere Mittagspause steuerten wir das kleine Städtchen Weishan an. Es wird im Lonely Planet als ein noch sehr authentisches, wenig touristisches, niedliches Städtchen beschrieben. Die Tatsache, dass Weishan in der Backbacker-Bibel Erwähnung findet, ließ uns eigentlich schon zweifeln. Wir wollten aber einen Versuch wagen und wurden sehr positiv überrascht. In der Altstadt finden sich wirklich alte kleine Häuschen, auf den Straßen trifft man eigentlich fast nur Einheimische und die Läden verkaufen wirklich das, was die Menschen im Ort brauchen. Auch die Reaktion der Bewohner auf uns fanden wir herrlich erfrischend. Während wir unsere Fahrräder durch die Altstadt schoben, wurden wir angelächelt, gegrüßt und erhielten nicht wenige “Daumen hoch”. Einfach schön, mal wieder “normal” behandelt zu werden und nicht nur als laufender Geldbeutel betrachtet zu werden. Weishan scheint also wirklich noch so etwas wie ein Geheimtipp zu sein!

Wir radelten mit guter Laune und immer besser werdender Gesundheit in Richtung Süden. Jeden Tag standen um die 100 km auf dem Programm und nicht selten über 1000 Höhenmeter. Selbst eine Tagesetappe, die uns am Fluss entlang abwärts führte, bescherte uns 900 Höhenmeter obwohl keine hohen Berge zu überwinden waren. Yunnan ist wirklich sehr bergig und steht Sichuan hier in nichts nach. Jeden Morgen starteten wir ein wenig tiefer und südlicher als am Morgen zuvor. Das Klima änderte sich mit jedem Tag. Es wurde schwüler, wärmer und morgens immer feuchter. Jeden Tag starteten wir bei dichten Wolken und weiter südlich sogar mit Nieselregen, es war frisch und feucht. Gegen 11 Uhr gewann aber immer mehr die Sonne die Oberhand und verjagte die dichten Wolken. Unsere flexiblen Zipp-off-Hosen erwiesen sich als wirklich praktisch, denn innerhalb von 5 Minuten kann es aufklaren und dann wird es richtig heiß!

Einhergehend mit dem schnellen Klimawechsel hat sich auch die Landschaft um uns herum komplett gewandelt. Waren es am Anfang noch vorrangig Reisterassen, die unseren Weg säumten, wurden es um die Stadt Pu’er herum riesige Tee- und Kaffeeplantagen und ganz im Süden Chinas endlose Bananenplantagen, die sich mit dichtem Dschungel und Kautschukplantagen abwechselten. Das industrielle Ausmaß der Kautschukplantagen wurde uns vor allem deutlich als wir über den neuen Highway G213 fuhren, der uns durch seine vielen Brücken einen guten Überblick über die umliegenden Berge verschaffte. So weit wir schauen konnten, sahen wir nur ordentlich strukturierte Kautschukplantagen. Den dichten, wilden Dschungel haben wir eigentlich nur auf der alten G213 erlebt. Diese Straße schlängelt sich natürlich die Berge auf und ab und wird nur noch selten von Autos genutzt. Wir genossen diese Strecke sehr, es war ruhig und die Vögel und Insekten in dem dichten Wald boten uns ein wunderschönes Konzert, welches nur hin und wieder von fahrenden Jukeboxen (Motorräder mit überdimensionierten Boxen) unterbrochen wurde.

Von kurz vor Pu’er ab an führen immer zwei parallel verlaufende Straßen in Richtung Süden: die alte G213 ohne Seitenstreifen mit ihren natürlichen Steigungen und Windungen und der neue, größtenteils für Autos kostenpflichtige Highway mit breitem Seitenstreifen, der über Brücken und Tunnel alle Steigungen verringert. Nach einer Woche des Auf- und Abradelns und mit unserer Deadline im Nacken entschieden wir uns eines Morgens kurz vor Pu’er dazu, unser Glück auf dem Highway zu probieren. Wir hatten bereits zuvor im Westen Chinas kostenpflichte Straßen genutzt und durften dort als Radfahrer immer einfach an der Schranke vorbei fahren. Diese Strategie wählten wir nun auch. Wir “übersahen” alle Verbotsschilder und strampelten wie die Besessenen an der Mautstelle vorbei und “überhörten” alle Rufe hinter uns (die wir ja auch eh nicht verstehen konnten, wir können ja kein Chinesisch ;) ). Wir hatten es zumindest schon einmal auf den Highway geschafft. Trotzdem wähnten wir uns noch nicht in Sicherheit und unsere Befürchtungen bestätigten sich nach ca. 10 km: hinter uns tauchte ein Polizeiwagen mit Blaulicht und Sirene auf und forderte uns auf, den Highway zu verlassen. Alle Diskussionen waren ohne Erfolg, die Polizisten ließen sich von ihrer Meinung, dass der Highway für uns zu gefährlich sei, nicht abbringen! Wir mussten uns also wieder auf die alte Straße begeben und kamen nicht in den Genuss eines Tunnels oder einer Brücke – zu blöd! Am gleichen Tag hatten wir noch ein zweites Mal das Vergnügen mit der Polizei, diesmal hatten wir allerdings alles richtig gemacht. Wir schliefen bereits in unserem Hotel und hatten uns vorher pflichtbewusst bei der örtlichen Polizei registriert, denn das ist in China bei jeder Übernachtung notwendig. In der Nacht klopfte die Hotelbesitzerin dann wie wild an unsere Tür. Wir schreckten auf und rechneten mit dem Schlimmsten: nachts auf die Straße dieses Dorfes geschmissen zu werden. Aus dem Fenster sah man vor der Tür das Blaulicht auf der Straße und die Hotelbesitzerin deutete mit wildem Fuchteln ihrer Hände an, dass sie unsere Pässe braucht. Die Polizei hatte sich anscheinend die nächtliche Stunde für eine Überprüfung des Hotels ausgesucht. Bei uns war alles in Ordnung und wir konnten beruhigt nach einer halben Stunde wieder weiterschlafen.

Trotz unserer Bekanntschaft mit der Polizei wollten wir es noch einmal auf den Highway wagen, denn die Höhenmeter machten sich immer mehr in unseren Beinen bemerkbar. Nach Mengyang wechselten wir also auf die besser ausgebaute und diesmal nicht mautpflichtige Straße. Die ersten Kilometer blickten wir bei jedem heranfahrenden Auto noch besorgt in unsere Rückspiegel aber selbst die vorbeifahrenden Polizeiautos ließen ihre Sirenen nur zum Grüßen ertönen, trotz nicht zu übersehender Verbotsschilder für Fahrräder. Der Highway hat uns viele Höhenmeter und Kilometer erspart.

Wir erreichten schon nach 6 Tagen die Grenze von Laos, unserem 13. Reiseland. Der Grenzübertritt nach Laos war unser erster einfacher Grenzübertritt seitdem wir in die Türkei eingereist sind. In China bekamen wir nach kurzem Smalltalk über deutschen Fußball unsere Ausreisestempel und in Laos war das Visa on Arrival nur eine Frage des Geldes (2$ Zuschlag für die Bearbeitung während der Mittagspause). Nach der kurzen zollfreien Sonderzone auf laotischer Seite, wo sich vor allem chinesische Casinos ansiedeln, änderte sich der Baustil schlagartig. Während uns in China die aus dem Boden sprießenden Hotelbauten verabschiedeten, begrüßten uns in Laos kleine Bambushütten mit Strohdächern. Das Wohlstandsgefälle zwischen den beiden Ländern ist wirklich gewaltig.

Wir waren knapp 1,5 Monate in China und haben hier die längste Strecke in einem einzigen Land zurückgelegt. Insgesamt sind wir dort 2202 km gefahren und 26108 Höhenmeter hochgeklettert, um dem leckeren Essen eine sportliche Leistung entgegenzusetzen. Wir haben das Gefühl, über China noch nicht alles gesagt zu haben, was uns besonders ins Auge gefallen ist. Also hier eine stichpunktartige Auflistung:

  • in China hatten wir nur sehr wenig Kontakt zu Einheimischen, was sicherlich darauf zurückzuführen ist, dass die Kommunikation meistens nahezu unmöglich war. Unser Chinesisch kam über “Hallo” und “Danke” nicht hinaus, da die verschiedenen Tonlagen das Erlernen der Sprache für uns sehr schwierig machten. Wir versuchten beispielsweise oft mitzuteilen, aus welchem Land wir kommen, doch wir wurden meinstens nicht verstanden! Auf der anderen Seite sprechen nur sehr wenige Chinesen Englisch. Und selbst mit Händen und Füßen war die Verständigung nicht möglich! Eine Körpersprache wie wir sie kennen, existiert in China nicht, die Hände werden nicht bei der Kommunikation genutzt und so wissen viele Chinesen vielleicht auch gar nicht, wie sie das Gesagte ohne Worte für uns verständlich machen können. Wir hatten auch das Gefühl, dass in dem Land zwischen den Menschen ein kühleres Verhältnis herrscht. Die Chinesen erschienen uns eher distanziert und kühler als Menschen in anderen Ländern
  • Chinesen mögen es laut, in Läden läuft die Musik auf maximaler Lautstärke, es wird generell immer laut geredet.
  • Die chinesischen Tischmanieren entsprechen nicht den europäischen: Essensreste dürfen auf den Boden gespuckt werden, Schmatzen und Schlürfen gehören zum guten Ton
  • China hat offensichtlich in den Regionen, in denen wir unterwegs waren, unglaublich viel in Straßen investiert. Wir konnten auf unserer Route größtenteils wirklich gute Straßenqualität genießen!
  • Wir kamen in den Genuss von wirklich gutem, günstigen Essen! Aber vorsicht: viel Fett, das gerne an den Hüften kleben bleibt ;)
  • Wir kamen auch in den Genuss von dem schlimmsten Verkehr, den wir auf unserer Reise bisher erlebt haben. Als Radfahrer hat man im Straßenverkehr einfach keine Rechte und Autofahrer nehmen wenig Rücksicht. Die Hupen der Busse und Trucks sind absolut unverhältnismäßig laut und die Luftverschmutzung ist auch in ländlichen Regionen auf befahrenen Straßen nicht zu unterschätzen. Tipp für andere Reiseradler: Oropax und Mundschutz immer griffbereit halten!
  • Die Versorgungslage in China ist super! Es gibt überall Restaurants und mindestens kleine Kioske, in denen man das Nötigste bekommen kann. Auch günstige und saubere Hotels konnten wir fast überall ohne Probleme finden. Das Problem, dass wir als Touristen nicht in beliebigen Hotels unterkommen dürfen, hatten wir nur 3 mal und fanden (fast) immer eine gute Alternative. Fakt ist wohl, dass die Regierungs-geführten Hotels, in die man als Tourist oft verwiesen wird, ein sehr schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis haben.
  • Die hygienischen Bedingungen erlebten wir als total super! Keine Bauchprobleme!
  • kleine Kinder haben große Löcher im Schritt ihrer Hosen, damit es schnell geht, wenn nötig
  • China schenkte uns wunderschöne, zahlreiche und hohe Berge :)

Das war es mit China, wir sind nun in Laos. Hier gefällt es uns bisher richtig gut. Wir sind zwar auf dem größten Highway des Landes unterwegs, allerdings gibt es kaum Verkehr und wir genießen die schöne Landschaft in aller Ruhe. Gestern sind wir in der ersten “Stadt” angekommen und haben uns heute morgen dazu entschieden uns mal einen Tag Pause zu gönnen. Unsere Muskeln haben zu sehr danach geschrien und das leckere Essen vom Vortag hat uns schnell dazu überredet hier noch einen Tag zu bleiben und uns den kulinarischen Genüssen hinzugeben. Falls jemand mal nach Oudomxay kommt, der sollte unbedingt das Restaurant Suphailin ausprobieren! Quasi unser Wohnzimmer während unserer Zeit hier.

Morgen geht es weiter in Richtung Luang Prabang. Bis Samstag sind es noch 3 Fahrradfahrtage und wir haben nur noch 200 km bis nach Luang Prabang – tschakaaaa, wir schaffen das!!! :-D

Gefahrene Strecke

Legende

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